Dein Potsdam-Blog
Impressionen aus der Potsdamer Innenstadt (1992–1995), Foto: PMSG/ Andreas Jänke
Impressionen aus der Potsdamer Innenstadt (1992–1995), Foto: PMSG/ Andreas Jänke
Impressionen aus der Potsdamer Innenstadt (1992–1995), Foto: PMSG/ Andreas Jänke
Impressionen aus der Potsdamer Innenstadt (1992–1995), Foto: PMSG/ Andreas Jänke
Belvedere Pfingstberg (1995), Foto: PMSG/ Andreas Jänke
Impressionen aus der Potsdamer Innenstadt (1992–1995), Foto: PMSG/ Andreas Jänke
Impressionen aus der Potsdamer Innenstadt (1992–1995), Foto: PMSG/ Andreas Jänke

Vom Osten in den Westen und zurück

Der August 1961 war eine große Zäsur in meinem Leben, mit einem mir damals ganz unverständlichen Schlag ging für mich meine Heimat verloren. Ich lebte mit meinen Eltern und drei Geschwistern in einem kleinen Häuschen mit Garten am Waldrand von Berlin-Grünau. An die romantischen Straßennamen dort kann ich mich noch erinnern: Schilfsängersteig, Fuchsbau, Hasenlauf und Waldvogelweg. Mein Spielplatz war der für mich damals unendlich große Birken- und Kiefernwald zwischen Adlergestell und Dahme Strand und der zugewachsene Garten hinter dem Haus - in meiner Erinnerung über und über mit Margeriten bepflanzt. Von der großen Stadt Berlin, dem pulsierenden Zentrum der Stadt, habe ich in Grünau nichts geahnt.

Ich bin Anfang 1961, ein paar Wochen vor unserer Flucht, in den Grünauer Kindergarten gegangen. Vor allem deshalb, weil meine Eltern dem behördlichen Verdacht entgegenwirken wollten, dass wir auf dem Sprung „in den Westen“ waren. Es hat sich bis heute bei mir eingeprägt, dass ich dort das Pionierlied „Kleine weiße Friedenstaube“ gelernt habe und es meinen erstaunten Eltern zuhause vorgetragen habe. An den 13. August 1961, als meine Familie und ich schon in den Westteil der Stadt geflüchtet waren, erinnere ich mich noch genau. Die Nachricht vom Beginn des Baus der Berliner Mauer traf uns in der Wohnung meiner Tante im Stadtteil Westend wie ein Schock. Meine Eltern gerieten in Panik und beschlossen, West-Berlin sobald wie möglich mit dem Flugzeug zu verlassen. Sie hatten Angst, dass sich die UdSSR bzw. die DDR den Westteil bei nächster Gelegenheit einverleiben würden, vor allem, weil die USA zunächst einmal seltsam zurückhaltend auf den Mauerbau reagiert hat - wohl um einen Krieg zu verhindern. Meine Tante hat uns vermutlich diesen Flug spendiert, denn wir hatten alles von Wert in Grünau zurückgelassen und nur die Kleidung, die wir auf dem Leib trugen, mitgenommen. Wichtige Dokumente und die Dias und Fotoalben meines Vaters hatte mein großer Bruder in den Tagen vor unserer Flucht auf dem Fahrrad zu einem Bekannten nach Neukölln gebracht. So kam es dazu, dass wir am 15. August 1961 ein Flugzeug in Berlin Tempelhof bestiegen und Berlin in Richtung Frankfurt/Main verließen. Erst 16 Jahre später sollte ich nach Neukölln zurückkehren.

Im März 1990 – kurz vor den ersten freien Volkskammerwahlen – lernte ich auf einer Party in Berlin-Pankow die spätere Mutter meiner Kinder kennen. Am Ostersonntag, den 15. April, beschloss ich, sie in ihrer Wohnung in der Dortustraße in Potsdam zu besuchen. Telefonisch anmelden konnte ich mich nicht, es gab dort kein Telefon – also bin ich auf gut Glück dorthin gefahren. Leider habe ich sie nicht angetroffen. Wie zehntausende andere Osterbesucher habe ich die Gelegenheit genutzt und bin auch durch den Park Sanssouci gestreift. Für mich war dieser eintägige Aufenthalt in Potsdam kurz nach dem Fall der Mauer wie eine Zeitreise in die unmittelbare Nachkriegszeit. Der erste Eindruck der verfallenen Häuserzeilen in der Dortu- und Gutenbergstraße war erschreckend. Die barocken Gebäude zwischen dem heutigen Altstadthotel und dem heutigen Lokal „Mea Culpa“ waren, wie ich später erfuhr, für den Abriss vorgesehen. Niemand hatte etwas für die Instandsetzung getan. Hier sollte ein ganzer Straßenzug der Erweiterung der der Stasi Bezirksverwaltung in der Jägerallee weichen. Gegenüber des heutigen Restaurants „Walhalla“ waren bereits alle Gebäude verschwunden und eine tiefe Baugrube klaffte. Die Wohnungen auf der Walhalla-Seite waren teilweise besetzt, es fehlten aber die mir aus Berlin bekannten Transparente an den Häuserwänden. Nur in einigen Hinterhöfen trauten sich Bewohner auf die Besetzung hinzuweisen. Die Besetzer nannten sich „Schwarzwohner“. Später habe ich erfahren, dass der Verein ARGUS sofort im November 1989 einen Abrissstop für diese Häuser in der noch von der SED-dominierten Stadtverordnetenversammlung durchsetzen konnte – eine Rettung im letzten Moment. Das „Walhalla“ selbst war ab 1991 wie 30 andere Potsdamer Häuser besetzt, zeitweise sollen es Anfang der 90er Jahre sogar 70 Häuser gewesen sein.

Das Haus in der Dortustraße 7 wurde 1733 als „Ausspannung“ für Kutscher erbaut und steht heute unter Denkmalschutz. Der Pferdestall im Hinterhof war 1990 noch im Original erhalten, es waren sogar noch Heuballen und Pferdeboxen zu erkennen. Hier wohnte ich zusammen mit meiner Freundin ab Sommer 1990. Teilweise waren die Fenster nur einfach verglast, so dass im Winter schnell die Wasserleitungen einfroren. Es gab kein Bad, keine Dusche und die Toilette befand sich außerhalb der Wohnung auf der „halben Treppe“.

Auch die Nachbarhäuser boten ein Bild des Jammers: Überall bröckelten die Fassaden, die Dachstühle waren bei einigen Häusern schon eingestürzt und die Fensterscheiben waren teilweise zerbrochen. Das Walhalla, das sich zwei Häuser weiter in Richtung Hegelallee befand, war fast vollständig verfallen. Von 1910 bis 1945 beherbergte es das über die Grenzen Potsdams hinaus bekannte „Varieté Walhalla“, auf dessen Bühne in den 1920er Jahren Künstlergrößen wie Charlie Chaplin, Enrico Caruso, Richard Tauber, und Marlene Dietrich auftraten. Auch dieses Haus bewahrte der Verein ARGUS 1989 vor dem Abriss. Nachdem es zwischenzeitlich besetzt war, wurde es ab 2001 renoviert.

Zur Person: Andreas Jänke wurde 1955 in Berlin-Grünau geboren. Im August 1961 floh er mit seiner Familie nach West-Berlin. Nach Stationen in Karlsruhe, Nürnberg und Berlin zog es ihn 1995 nach Potsdam, wo er noch heute lebt. Bei der Potsdam Marketing und Service GmbH ist er als Datenschutzbeauftragter sowie für den EDV Support tätig.

Bei dem geführten Rundgang „Berliner Mauer – Spuren der Teilung“ der PMSG Potsdam Marketing und Service GmbH begibst du dich auf eine Zeitreise in die deutsche Vergangenheit. Der Spaziergang ist gespickt mit bewegenden Geschichten von Schicksalen, Grenzgängern und Agenten rund um die deutsch-deutsche Teilung. Er startet an der Glienicker Brücke, auch als Agentenbrücke bekannt geworden, später Sinnbild für die Deutsche Einheit. Von dort geht es entlang des ehemaligen Grenzverlaufs durch den Neuen Garten bis zur einstigen Grenzübergangsstelle Nedlitz. Der geführte Rundgang findet von Mai bis Oktober, jedem 2. Sontag im Monat, statt.

Für deinen Besuch gelten die aktuellen Hygiene- und Abstandsregeln. Bitte beachte, dass alle veröffentlichten Informationen, Veranstaltungen sowie Öffnungszeiten unter Vorbehalt stehen. Bei Fragen wende dich gern an unser Service Center – telefonisch unter +49 (0)331 2755 88 99 oder per E-Mail an info@potsdamtourismus.de.

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Datenschutzbeauftragter und EDV Support, PMSG Potsdam Marketing und Service GmbH

Bewegte Geschichte – Gedenkstätte Lindenstraße

In die Pflaster des Gehweges einer Seitenstraße der verkehrsberuhigten Brandenburger Straße sind Hinweise eingelassenen, die den Besucher zu einem besonderen Ort führen: zur Gedenkstätte Lindenstraße. Die vergitterten Fenster des barockes Stadtpalais geben einen ersten Hinweis auf die Geschichte und Nutzung dieses Gebäudes. Ehemals als Gerichts- und Gefängnisgebäude genutzt, befindet sich hier heute eine Gedenkstätte.
360° city view